Die finanzschwachen Kommunen erinnerten daran, dass die Koalition ihre Versprechen zur verbesserten Finanzausstattung noch nicht eingelöst hat. Zudem forderten sie einen Rettungsschirm für Stadtwerke.
Die finanzschwachen Kommunen in Deutschland geraten immer mehr in Not. Die Folgen des Ukrainekriegs, die steigenden Preise und Zinsen bedrohen die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden akut. Da in Berlin bisher keine angemessene Reaktion auf diese dramatische Lage zu erkennen ist, sind Vertreterinnen und Vertreter des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ nun erneut in die Hauptstadt gefahren. Dort haben sie bei Gesprächen im Bundestag, im Kanzleramt und mit den Parteien ihre Situation erläutert sowie Regierung und Koalition an ihre Zusagen erinnert.
Im Koalitionsvertrag
Die Ampel hat an mehreren Stellen in ihrem Koalitionsvertrag Ende 2021 den finanzschwachen Kommunen Unterstützung zugesagt: Der Bund werde seinen Teil zur Altschuldenlösung beitragen und 2022 Gespräche dazu führen. Er werde finanzschwache Kommunen bei Investitionen in Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung zusätzlich unterstützen. Und er werde kommunale Förderprogramme entbürokratisieren und dort, wo möglich, sinnvoll bündeln. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner haben das Versprechen einer Altschuldenlösung im Laufe dieses Jahres bekräftigt – auch nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine.
Kern der Demokratie
Mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sprach das Aktionsbündnis über die zahlreichen Probleme und die Verunsicherung der Menschen vor Ort. Dabei wurde die Bedeutung der Kommunen als „Kern der Demokratie“ betont und die Wichtigkeit ihrer auskömmlichen Finanzausstattung. Anschließend sagte Bärbel Bas: „Als Bundestagspräsidentin ist mir wichtig, dass wir zusammenhalten und das Land möglichst allen Menschen gleichwertige Lebensverhältnisse bietet. Das ist die Grundvoraussetzung einer gut funktionierenden Demokratie. Lebensqualität entscheidet sich vor Ort. Es sind die Städte und Gemeinden, die den Menschen gute Schulen, Kitas, Schwimmbäder oder Bibliotheken bereitstellen. Und es sind die vielen meist ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die den direkten Kontakt zu den Menschen haben und besonders wichtig für unsere Demokratie sind. Deshalb habe ich das Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ gerne zum Austausch im Deutschen Bundestag getroffen. Als Duisburger Bundestagsabgeordnete bin ich persönlich schon seit vielen Jahren überzeugt: Wir müssen die Kommunen vom Mühlstein der Altschulden befreien. Dieser Schritt darf auch wegen der wieder steigenden Zinsen nicht weiter aufgeschoben werden."
Staatsministerin Sarah Ryglewski, im Bundeskanzleramt verantwortlich für die Bund-Länder-Beziehungen, sagte im Austausch mit „Für die Würde unserer Städte“, dass noch dieses Jahr ein Vorschlag zum Altschuldenlösung des Bundes vorgelegt werde. Das Modell sei angelehnt an das Konzept, dass das Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz in der vorherigen Legislaturperiode entwickelt habe. Ein Vorzug dessen sei, dass Länder, deren Kommunen nicht betroffen sind, dafür auch nicht bezahlen müssten.
Mit Blick auf die Förderungen kommunaler Investitionen erklärte die Staatsministerin, dass es aktuell eine Schieflage gebe, die die Bundesregierung auflösen wolle. Finanzschwache Kommunen kämpfen an dieser Stelle mit dem Problem, dass sie Förderprogramme nicht in Anspruch nehmen können – weil sie kein Personal für die Antragstellung, keine ausreichenden Eigenmittel und/oder keine Möglichkeiten haben, die damit verbundenen Personalkosten zu tragen.
Mit Zuversicht
Das Aktionsbündnis unterstützte in den Gesprächen die Forderung nach einem Rettungsschirm für Stadtwerke. Die massiv gestiegenen Preise in der Energiebeschaffung und drohende Zahlungsausfälle bei den Kunden verschärfen massiv die Lage der Unternehmen. Wenn sie in Schieflage gerieten, könnten elementare Dienstleistungen in den Kommunen nicht mehr erbracht werden. Neben der Energie betrifft dies auch Wasserversorgung, Müllabfuhr und Straßenreinigung. Ein wirkungsvoller Rettungsschirm müsse einen staatlichen Bürgschaftsrahmen, Liquiditätshilfen bei der Energiebeschaffung und Unterstützung bei Zahlungsausfällen umfassen, so „Für die Würde unserer Städte“.
Stadtdirektor und Kämmerer Dr. Johannes Slawig, einer der Sprecher des Bündnisses: „Ich komme mit Zuversicht aus Berlin zurück: Nachdem bisher leider aus dem Bundesfinanzministerium keine konkreten Zusagen zu vernehmen sind, hat die im Kanzleramt zuständige Staatsministerin endlich einen Fahrplan genannt. Diese Zusage und die klaren Worte der Bundestagspräsidentin machen mir Mut, dass bis zum Jahresende ein Vorschlag zur Lösung des Altschuldenproblems auf den Tisch kommt. Mindestens genauso wichtig ist aber auch kurzfristige Unterstützung des Bundes und der Länder, damit finanzschwache Städte wie Wuppertal durch die sich weiter verschärfende Krise kommen. Die Kommunen brauchen schnell einen Rettungsschirm.“
Das Aktionsbündnis
Im Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ haben sich 63 Kommunen aus sieben Bundesländern zusammengeschlossen, in denen rund 8,5 Millionen Menschen leben Die Kommunen waren besonders vom Strukturwandel betroffen, deshalb haben sie geringe Einnahmen aus Steuern und hohe Ausgaben, insbesondere im Sozialbereich. Infolgedessen sind die Kommunen besonders benachteiligt durch die beschriebene Finanzverteilung und waren in besonderem Maße gezwungen, Schulden zu machen, um die ihnen auferlegten Aufgaben erfüllen zu können.
Bündnis-Mitglieder sind: Bochum, Bottrop, Brandenburg an der Havel, Cottbus, Cuxhaven, Dinslaken, Dorsten, Dortmund, Duisburg, Ennepe-Ruhr-Kreis, Essen, Frankenthal, Geestland, Gelsenkirchen, Ginsheim-Gustavsburg, Gladbeck, Hagen, Hamm, Hattingen, Herne, Kaiserslautern, Koblenz, Krefeld, Lahnstein, Leverkusen, Löhne, Ludwigshafen, Lünen, Mainz, Mayen, Mettmann, Moers, Mönchengladbach, Mörfelden-Walldorf, Mülheim an der Ruhr, Neustadt an der Weinstraße, Neuwied, Oberhausen, Obertshausen, Offenbach, Pirmasens, Recklinghausen, Kreis Recklinghausen, Remscheid, Saarbrücken, Salzgitter, Schwerin, Schwerte, Solingen, Trier, Kreis Unna, Voerde, Völklingen, Waldbröl, Werne, Wesel, Kreis Wesel, Wismar, Witten, Worms, Wülfrath, Wuppertal und Zweibrücken.