Neben neuen Büro- und Coworking-Flächen gibt es kreative Lernräume für die benachbarte Max-Planck-Realschule, eine Kita, den Offenen Ganztag für Grundschulkinder und die Nachbarschaftsetage als Möglichkeitsort der Nachbarschaft. Auch die Stadtteilbibliothek und eine Gastronomie werden hier einziehen. Die historischen Shedhallen der ehemaligen Textilfabrik wurden zu modernen Bürolofts und Ateliers umgebaut. Außerdem wurden zwei Gründerzeithäuser mit elf Wohnungen saniert, fünf davon sind barrierefrei erreichbar.
Ein Campus für alle
Initiiert wurde der BOB CAMPUS von der unabhängigen gemeinnützigen Montag Stiftung Urbane Räume aus Bonn. Seit 2018 ist die Urbane Nachbarschaft BOB, eine gemeinnützige Projektgesellschaft der Montag Stiftungen, mit einem Projektbüro vor Ort.
Johanna Debik, Vorständin der Montag Stiftung Urbane Räume und Geschäftsführerin der Urbanen Nachbarschaft BOB: „Ziel der Stiftung ist es, durch kokreative Projektentwicklung von brachliegenden Immobilien oder Grundstücken neue Chancen für die Menschen direkt vor Ort im Stadtteil zu schaffen. Die partizipativ entwickelten Werte des BOB CAMPUS werden heute deutlich in architektonischen Botschaften erfahrbar: Respekt, Kreativität, Diversität, Inklusion, Transparenz, generationenübergreifendes Lernen und Arbeiten, solidarische Gemeinschaft und Nachhaltigkeit.“
Bereits der Planungsprozess ist kokreativ: Alle Menschen im Stadtteil und die Nutzerinnen waren in mehreren Workshops und Planungswerkstätten eingeladen, ihre Bedarfe, Interessen und Ideen für die Nutzung des leerstehenden Fabrikgeländes mitten in Wuppertal-Oberbarmen einzubringen. Das beauftragte Architekturbüro raumwerk.architekten steht hinter diesem Einsatz der partizipativen Planung, wie die Architektin Ragnhild Klußmann beschreibt: „Ein Planungsprozess mit vielen Beteiligten ist so komplex wie jede Gemeinschaft und jeder demokratische Prozess: genauso anstrengend wie inspirierend.“
Das gemeinschaftlich entwickelte Konzept für den BOB CAMPUS setzt auf die gemeinsame Nutzung und das Teilen der Räumlichkeiten: Was den Kindern und Jugendlichen morgens als Kita- und Klassenzimmer dient, kann am Nachmittag und Abend Werk- und Ausstellungs-, Sport- oder Proberaum für die gesamte Nachbarschaft sein. Und durch die im BOB CAMPUS ansässigen Unternehmen und die Stadtteilbibliothek gibt es Synergien und direkte Kontakte zur Arbeitswelt und zu verschiedenen generationsübergreifenden Lernangeboten.
Die Montag Stiftung Urbane Räume ermöglicht seit 2018 durch Zuwendungen in Höhe von rund 2 Mio. Euro die gemeinwohlorientierte, partizipative Entwicklung und das Communitybuilding vor Ort.
BOB CAMPUS - Ort der Nachbarschaft
Herz des Projektes ist die 1.200m² große Nachbarschaftsetage. Sie ist als beweglicher, offener Raum konzipiert, der ab sofort von der Nachbarschaft für gemeinnützige Zwecke gestaltet und genutzt werden kann: zum Kochen, Lernen, Kreativsein, zum Spielen und Musizieren, zum Austausch und Kennenlernen oder auch zum Verhandeln von neuen Kommunikationsformen und Vereinbarungen der Stadtteilcommunity. Ab 2023 wird hier auch die Stadtteilbibliothek Wichlinghausen-Oberbarmen einen neuen kreativen Raum zum Lesen, Lernen und Experimentieren schaffen. Die Nachbarschaftsetage ist mit einer mobilen Gemeinschaftsküche ausgestattet und hält Raum für die Entwicklung einer professionellen Gastronomie mit Freisitz Richtung Park vor. Zu den Freiflächen, die im Innenraum entstehen, baut die Stadt Wuppertal auf 4.500 m²zwischen BOB CAMPUS und Nordbahntrasse bis 2023 den Nachbarschaftspark mit einer Gesamtinvestition von rund 2 Mio. Euro, im Rahmen des Bund-Länderprogramms soziale Stadt Oberbarmen/Wichlinghausen mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) NRW 2014-2020) „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“. Hier entsteht auf mehreren großen Terrassen ein Park als partizipativer Möglichkeitsraum zum Mitgestalten, Gärtnern und Erholen. Anfang 2023 wird der direkte Zugang von der Nordbahntrasse durch den Nachbarschaftspark möglich sein.
Während der Planungs- und Bauzeit bildete sich die Gruppe der BOB Botschafter*innen. Sie leben in der direkten Nachbarschaft und bringen ganz unterschiedliche Ausbildungen, Familiengeschichten und zum Teil eigene Erfahrungen mit Flucht und Ankunft mit. Sie prägen und fördern die BOB CAMPUS Community in einem Stadtteil, in dem Menschen aus rund 100 Herkunftsländern leben.
Aus den BOB*Botschafterinnen, den Nachbarn, Mieterinnen und Nutzern, wächst so seit Beginn der Planungen in einem offenen Prozess eine Stadtteilcommunity rund um den BOB CAMPUS, die neue Beziehungen schafft und die Idee einer chancengerechten Gesellschaft in die Realität bringt.
Bauen im historischen Bestand
Der BOB CAMPUS mitten im dicht bebauten Oberbarmen ist ein Industriestandort mit Geschichte. Früher wurden hier im ehemaligen August Bünger Textilwerk Oberbarmen (BOB) Schnürsenkel, Gardinenbänder und Bordüren hergestellt. Über Generationen hinweg war die Fabrik ein Ort der Identifikation und ein Ort der Arbeit. 2012 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Seitdem standen die historischen Shedhallen, das Fabrikgebäude aus den 1970er Jahren, die Wohnhäuser und Freiflächen leer.
Seitdem ist viel passiert. Die alte Bausubstanz wurden mit 13 Mio. Euro Invest der Montag Stiftungen saniert, und um neue Elemente bereichert, wie eine partiell lichtdurchlässigen Fassade und Lichthöfe, die neue Sichtbeziehungen zwischen den Nutzungseinheiten schaffen. Unter anderem ergänzen Photovoltaikanlagen und ein innovatives Lufttauschsystem das energetische Konzept. Nicht zuletzt erforderten Brand- und Schallschutzanforderungen Umbauten, um die alte Fabrik und die historischen Shedhallen wieder in Nutzung zu bringen.
Neben dem Fabrikgebäude aus den 1970er Jahren sind die historischen Shedhallen behutsam für eine Büro- und Ateliernutzung saniert worden und nun größtenteils barrierefrei erschlossen und ausgebaut. Außerdem wurden zwei Wohnhäuser auf dem Gelände saniert und die Grundrisse so angepasst, dass dort unterschiedliche Wohnformen möglich sind. Aus den ehemaligen Betriebswohnungen sind elf Wohnungen entstanden, in denen große Familien, Seniorinnen und Senioren und WGs ein neues Zuhause finden. Acht der elf Wohnungen und das Nachbarschaftswohnzimmer wurden mit Wohnraumfördermitteln des Landes NRW finanziert. Umgesetzt wurde der Umbau der Wohnhäuser unter anderem in Kooperation mit dem lokalen Qualifizierungsträger Gesellschaft für berufliche Aus- und Weiterbildung (GBA).
Ein Meilenstein für die Wuppertaler Stadtentwicklung
Durch seine starke Verankerung im Viertel, die Verknüpfung von Architektur und Nutzung und die partizipative Entwicklung ist der BOB CAMPUS in seiner Form bundesweit einzigartig. Der BOB CAMPUS ermöglicht über eine neue öffentlich nutzbare Freitreppe und ab 2023 durch den neu geschaffenen Zugang von der Nordbahntrasse eine maximale Öffnung in und durch den Stadtteil Oberbarmen und eine Vernetzung mit der ganzen Stadt Wuppertal.
Auch Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und zuvor Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, begrüßt den BOB CAMPUS: „Mit dem BOB CAMPUS in Wuppertal entsteht ein faszinierendes Projekt der Quartiersentwicklung im Wuppertaler Osten und beflügelt den dortigen Aufbruch.“
Initialkapital für eine chancengerechte Stadtteilentwicklung
Die Idee des Prinzips „Initialkapital für eine chancengerechte Stadtteilentwicklung“ ist, durch Investition in eine Immobilie dauerhaft eine soziale Rendite zu erzielen, die für gemeinnützige Vorhaben im Viertel verwendet wird. Die Überschüsse, die durch Bewirtschaftung der Immobilie entstehen, kommen lokalen Akteuren zugute, die sich für das Gemeinwohl engagieren. Diesen Ansatz realisiert die Montag Stiftung Urbane Räume seit 2014 mit der Samtweberei in Krefeld. 2016 folgte das Projekt FreiFeld in Halle (Saale). Seit 2018 ist die Montag Stiftung Urbane Räume mit dem Projekt BOB CAMPUS in Wuppertal und mit der KoFabrik in Bochum aktiv. 2020 wurde das fünfte Projekt HONSWERK in Remscheid gestartet und 2022 das ehem. Gold-Zack-Werk in der Wuppertaler Nordstadt, Quartier Mirke.