An der Seite des Esels waren Oberbürgermeister:innen und Bürgermeister:innen unterwegs, die den Vertreter:innen der Parteien symbolisch einen Stein aus dem Lastensack überreichten. Damit verdeutlichten sie ihre Forderung nach einem fairen Neustart für benachteiligte Städte und Kreise. „Wir leiden unter den gewaltigen Lasten, die die ungerechte Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommen verursacht hat“, erklärten Oberbürgermeister Uwe Schneidewind und Stadtdirektor Johannes Slawig, die für Wuppertal nach Berlin gekommen waren.
Diese spektakuläre Aktion hat das Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ initiiert. Im Bündnis haben sich 70 Kommunen zusammengeschlossen, die besonders unter der Finanzverteilung in Deutschland leiden. Die Städte und Kreise haben in den vergangenen Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie mit Geld umgehen können, und aus einem Minimum an Möglichkeiten ein Maximum gemacht. Die Pandemie hat ihnen allerdings erneut vor Augen geführt, dass sie eine Krise nicht aus eigener Kraft bewältigen können, sondern auf Hilfen von Bund und Land angewiesen sind. Deshalb fordern sie einen Neustart bei den Finanzen und eine faire Verteilung zwischen den drei Ebenen.
Der häufig den Kommunen gemachte Vorwurf, sie erfüllten ihre Sparaufgaben unzureichend, geht dabei ins Leere: Die Städte im Bündnis haben Wort gehalten und in konjunkturell starken Jahren Schulden getilgt: Seit dem Höchststand der Liquiditätskredite im Jahr 2015 (50,4 Milliarden Euro) ist deren Stand bis zum 31. Dezember 2020 um mehr als 15 Milliarden Euro gesunken. Die Kommunen haben den notwendigen Rückgang der Liquiditätskredite möglich gemacht. Sie haben gezeigt, dass sie mit Geld umgehen können und Hilfen verantwortungsvoll einsetzen.
Trotz all dieser Erfolge stehen viele Kommunen in Deutschland noch immer mit dem Rücken zur Wand, weil sie strukturell unterfinanziert sind und immer neue Lasten von Bund und Ländern aufgeladen bekommen. Der Besuch der Parteizentralen war deshalb mit vier Forderungen verbunden:
Gerechte Finanzverteilung
Bund und Länder können den Kommunen Aufgaben zuteilen und festlegen, welchen finanziellen Ausgleich diese bekommen. Die Ausgaben sind aber höher und treiben die Kommunen in eine Schuldenfalle. Bund und Länder müssen bei den Kosten endlich fair mit den benachteiligten Städten und Kreisen umgehen.
Der Bund muss für die Aufgaben der Kinderbetreuung und der Inklusion, die er gesetzlich vorgibt, eine hinreichende Finanzierung sicherstellen. Um die Dynamik in diesem Bereich aufzufangen, ist eine konsequente Orientierung an den Fallzahlen notwendig.
Zur Bekämpfung der Kinderarmut ist eine Grundsicherung für Kinder einzuführen. Die Grundsicherung muss sowohl ein ausreichendes Existenzminimum sicherstellen als auch eine Zusammenführung der vielen unterschiedlichen Leistungen herbeiführen. Dies würde zur Entschärfung der sozialen Problemlagen in den Familien beitragen und könnte damit auch die Hilfe zur Erziehung indirekt entlasten.
Die Kommunen sind weiterhin die letzte Hilfe bei Problemen der Pflegefinanzierung und decken damit ebenfalls einen Finanzbedarf ab, der aus Altersarmut entsteht, und stehen für die bisher im Rahmen der Pflegeversicherung nur unzureichend gelösten Probleme einer alternden Gesellschaft ein.
Lösung des Altschuldenproblems
Die ungerechte Finanzverteilung hat viele Kommunen dazu gezwungen, Kredite aufzunehmen und Schulden zu machen. Deshalb müssen sich die benachteiligten Kommunen um Zinsen und Tilgung kümmern, während die wohlhabenden Kommunen in ihre Zukunft investieren können. Bund und Länder müssen einen Teil der Altschulden übernehmen, damit die Kluft zwischen den Kommunen nicht größer wird.
Der Abbau der kommunalen Altschulden ist in einer solidarischen Gesamtlösung in enger Kooperation von Ländern, Bund und Kommunen herbeizuführen. Das Altschuldenproblem belastet die finanzschwachen Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz weiterhin.
Mit Blick auf die aus der Pandemie neu entstehenden Schulden ist das Altschuldenthema zu erweitern. Insbesondere finanzschwache Kommunen werden aufgrund ihrer geringeren Resilienz mit höheren Belastungen aus der Krise hervorgehen und länger brauchen, diese wieder abzuarbeiten. Dies dürfte die Disparität unter den Kommunen weiter vergrößern. Zwar besteht angesichts der niedrigen Zinsen derzeit scheinbar kein direkter Druck auf die Haushalte. Mittelfristig ist aber mit steigenden Zinsen zu rechnen, zumal auch Risiken auf den Finanzmärkten bestehen (zum Beispiel durch Inflation oder Blasenbildung).
Investitionen durch echte Förderprogramme ermöglichen
Wegen der Sparanstrengungen der letzten Jahrzehnte gibt es einen großen Nachholbedarf bei den Investitionen. Es gibt zwar zahlreiche Förderprogramme für Kommunen. Meist fehlen dort aber das Personal, um sich für die Programme zu bewerben, und die Eigenmittel, die Voraussetzung der Förderung sind. Die Kommunen brauchen Hilfe durch Reduzierung der Eigenanteile. Die benachteiligten Kommunen brauchen außerdem eine kontinuierliche Investitionsfinanzierung.
Steueroasen schließen
Bei den kommunalen Steuerhebesätzen wird das Dilemma der benachteiligten Städte und Kommunen noch einmal besonders deutlich. Angesichts hoher Sozialausgaben und unterproportionaler Einnahmen sind sie gezwungen, ihre Hebesätze zu erhöhen. Andere Kommunen dagegen können ein Steuerdumping betreiben. Sie nutzen die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewerbesteuer und haben Unternehmen dazu gebracht, den Standort zu wechseln.
Der Bund muss daher im Steuerrecht den ruinösen Steueroasen die Grundlage entziehen.
„Für die Würde unserer Städte“ hat bereits im Sommer auf die gewaltigen Lasten der Kommunen und die Forderung nach einem fairen Neustart aufmerksam gemacht. Die Oberbürgermeister:innen und Bürgermeister:innen schilderten auf Facebook und Twitter, mit welchen Herausforderungen die Städte und Kreise zu kämpfen haben und wie Bund und Länder die Last verringen könnten. Auf der Homepage des Bündnisses www.fuerdiewuerde.de sind die Versprechen der Parteien dokumentiert, die diese den Kommunen im Bundestagswahlkampf gemacht haben. Auch daran hat die Aktion am Montag in Berlin erinnert.
Die Städte und Kreise Im Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ haben sich 70 Kommunen aus acht Bundesländern zusammengeschlossen. In den Städten und Kreisen leben rund neun Millionen Menschen – und damit mehr als zehn Prozent aller Deutschen. Die Kommunen waren besonders vom Strukturwandel betroffen, deshalb haben sie geringe Einnahmen aus Steuern und hohe Ausgaben, insbesondere im Sozialbereich. Infolgedessen sind die Kommunen besonders benachteiligt durch die beschriebene Finanzverteilung und waren in besonderem Maße gezwungen, Schulden zu machen, um die ihnen auferlegten Aufgaben erfüllen zu können.
Mitglieder im Bündnis sind: Bochum, Bottrop, Brandenburg an der Havel, Cottbus, Cuxhaven, Dinslaken, Dorsten, Dortmund, Duisburg, Ennepe-Ruhr-Kreis, Essen, Frankenthal, Frankfurt an der Oder, Geestland, Gelsenkirchen, Gera, Gladbeck, Hagen, Hamm, Hattingen, Herne, Kaiserslautern, Koblenz, Krefeld, Lahnstein, Landkreis Vorpommern-Greifswald, Leverkusen, Löhne, Ludwigshafen, Lünen, Mainz, Mayen, Moers, Mönchengladbach, Mörfelden-Walldorf, Mülheim an der Ruhr, Neustadt an der Weinstraße, Neuwied, Oberbergischer Kreis, Oberhausen, Offenbach, Pasewalk, Pirmasens, Recklinghausen, Kreis Recklinghausen, Remscheid, Saarbrücken, Salzgitter, Schwerin, Schwerte, Solingen, Sprockhövel, Strasburg, Strausberg, Sundern, Torgelow, Trier, Ueckermünde, Kreis Unna, Voerde, Völklingen, Waldbröl, Werne, Wesel, Kreis Wesel, Wismar, Witten, Worms, Wuppertal und Zweibrücken.