Die klassische Kopplung der Arbeitsleistung an einen festen Ort wie dem Büro wird im Zuge der Digitalisierung vielerorts aufgehoben – der Zugang zu Daten und Verfahren wird zunehmend von jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit möglich sein. Auch Bürgerkontakte verlagern sich zunehmend ins Internet und werden über Serviceportale, Onlineservices und künftig Chatbots oder Videoberatung erbracht.
Die strategischen Weichenstellungen für die Digitalisierung der Stadtverwaltung im Rahmen des Modernisierungsprogramms, das vom Geschäftsbereich von Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig gesteuert wird, machen sich besonders jetzt bezahlt. „Schon bevor wir Leitkommune der digitalen Modellregion Bergisches Städtedreieck geworden sind, haben wir im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie digiTal2023 die richtigen Weichen gestellt, wie sich während der Krise deutlich gezeigt hat. Unsere Beschäftigten sind diesen Weg von Anfang an mitgegangen und wenn es noch einzelne Bedenken gab, wie wichtig die Digitalisierung der Verwaltung ist, dürfte das nach den Ereignissen der letzten Monate niemand mehr in Zweifel ziehen“, sagt Oberbürgermeister Andreas Mucke.
Homeoffice statt Publikum
Die Stadtverwaltung Wuppertal hat den Publikumsverkehr aufgrund der COVID-19-Pandemie stark reduzieren müssen, war aber trotzdem für ihre Bürger da. „Wir waren sehr schnell in der Lage, erhebliche Teile der Belegschaft ins Homeoffice zu schicken. Das hat uns auch in den Dienststellen den Raum verschafft, um den Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort sein müssen, den notwendigen Raum und Abstand zu ermöglichen. Hier haben sich die Investitionen der letzten Jahre bezahlt gemacht“, ergänzt Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig.
Die Stadtverwaltung konnte aufgrund der guten technischen Infrastruktur erhebliche Teile der Belegschaft kurzfristig im Homeoffice arbeitsfähig halten. Bis zu 1.500 Nutzer wurden mit mobilen Endgeräten ausgestattet und führen sozusagen ihren dienstlichen PC mit sich. Dazu kommen mehr als 2.000 Nutzer, die sich aus dem Homeoffice in das städtische Netz aufschalten können. Mehr als 1.200 zusätzliche Zugänge wurden innerhalb weniger Tage eingerichtet. Die Eingangspost einiger Ämter wird eingescannt und digital verteilt – schneller als ursprünglich geplant. Dafür sind zwei moderne Scanstraßen im Einsatz.
Intranet, Emails und Mia
Bei der internen Kommunikation setzt die Stadtverwaltung Wuppertal auf die klassischen Kommunikationsmittel wie Intranet und Emails, um alle Kollegen zu erreichen. Den richtigen Durchbruch hat die App „MIA“ in den letzten Monaten geschafft, die die meisten Beschäftigten auf ihren privaten Smartphones oder Tablets installiert haben. In der App, die eine Eigenentwicklung des Amtes für Informationstechnik und Digitalisierung ist, finden sich alle relevanten Informationen für den Arbeitsalltag und Neuigkeiten aus der Stadtverwaltung wieder. Die Begeisterung der Mitarbeiter zeigt sich in den Kennzahlen – inzwischen wurde die App, die es für Android und iOS gibt, über 5.000 Mal heruntergeladen. Mehr als 3.000 Mitarbeiter nutzen die App regelmäßig.
Der Situation geschuldet fanden Besprechungen mit mehreren Personen in den letzten Monaten fast ausschließlich virtuell statt – rund 160 Videokonferenzen täglich und noch mehr Telefonkonferenzen brachten die Mitarbeiter vor Ort mit den Kollegen im Homeoffice und natürlich auch mit Externen zusammen. Die technische Infrastruktur hierfür wurde im letzten Jahr eingeführt, aber nie einem solchen Test unterzogen. „Die Systeme waren an der Grenze – mehr Videokonferenzen gingen einfach nicht mehr. Wir haben hier ursprünglich auf ein System gesetzt, was im eigenen Rechenzentrum betrieben wird. Eine Erweiterung der Kapazitäten war nicht so schnell möglich, so dass wir externe Kapazitäten hinzu genommen haben, um alle Anforderungen zu bedienen. Viele Hersteller boomen gerade und wir erhalten natürlich Konferenzeinladungen von ganz vielen verschiedenen Systemen – hier müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht Sicherheitsprobleme einhandeln. Nicht alle Systeme, die zurzeit verwendet werden, entsprechen den Sicherheitsansprüchen oder nehmen es mit dem Datenschutz allzu genau. Da sind wir sehr achtsam.“, erklärt Daniel Heymann, Leiter Amt für Informationstechnik und Digitalisierung.
Technische Infrastruktur und Innovation
Neben einer stabilen und sicheren technischen Infrastruktur müssen auch zukünftig unterschiedlichste Anforderungen miteinander vereint werden. Wichtig dabei sind neben der Definition von veränderten Arbeitsprozessen, innovative Ideen, um den Bürgeransprüchen gerecht zu werden und die Mitarbeiter weiter zu qualifizieren. In der Stadtverwaltung Wuppertal laufen bereits viele Digitalisierungsprojekte. Mit der „Corona-Krise“ haben aber gerade die Themen Homeoffice und mobiles Arbeiten mit Hilfe der Führungskräfte und Beschäftigen sowie mit großer Unterstützung durch das Amt für Informationstechnik und Digitalisierung eine rasante Entwicklung genommen. Darauf wird in Zukunft aufgebaut und an Changemanagement-Konzepten zur Mitarbeiter-Zufriedenheit und -Gewinnung im Zuge der Digitalisierung gearbeitet. Hierzu gehören auch Formate zur Aktivierung der Beteiligung an Veränderungsprozessen wie Design-Thinking-Workshops, Zukunftswerkstätten und Open Innovation.
Es müssen zukunftsorientierte Perspektiven geboten werden, um neue Beschäftigte mit unterschiedlichen Kompetenzen gewinnen zu können. Durch den technischen Fortschritt ändern sich auch die Arbeitswelt und die Art und Weise, wie zum Beispiel Auszubildende lernen. Das umfasst nicht nur die Lerninhalte, sondern auch die Lernmethoden in der Ausbildung. Neben dem neuen fachlichen Wissen, werden besonders auch neue Kompetenzen wie lösungsorientiertes Denken, Abstraktionsfähigkeit und vor allem auch Anpassungsbereitschaft verlangt, um sich auf immer neue technische Systeme und Möglichkeiten einstellen zu können. Seit diesem Jahr bietet die Stadt daher zum ersten Mal das duale Bachelorstudium zum Verwaltungsinformatiker sowie die Ausbildung zum IT-Elektroniker an. Für 2021 kommt noch der Ausbildungsberuf Fachinformatiker für Daten- und Prozessanalyse hinzu. „Uns ist wichtig, nicht einfach nur zur Leitkommune ernannt worden zu sein, sondern diese Rolle auch aktiv auszufüllen und eine Vorreiterrolle einzunehmen“, erklärt Dr. Slawig. Die Stadt Wuppertal hat zusätzlich die Anzahl der Auszubildenden im Bereich der Informationstechnik deutlich ausgebaut und auch in die Qualität der Ausbildung immer weiter investiert.
Hauseigene Dienstleister
Wesentlicher Faktor aus Sicht der Stadt Wuppertal ist, ein spannendes und vor allem auch sicheres Arbeitsumfeld zu bieten. Die Projekte der Modellregion haben hier auch dazu beigetragen, den hauseigenen IT-Dienstleister als interessanten Arbeitgeber zu positionieren. „Viele potentielle Bewerber können sich gar nicht vorstellen wie vielfältig und spannend die Informationstechnik einer Kommune sein kann. Die Projekte, die wir zurzeit durchführen – sei es die Umstellung der Verwaltung auf E-Akten oder die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen insbesondere für unsere Bürgerinnen und Bürger – verändern die ganze Organisation. Wir befassen uns auch mit den Technologien und Arbeitswelten von morgen und welche Auswirkungen diese auf die Verwaltung haben werden. Große Themen wie Cloudcomputing, Blockchain, Chatbots, IoT werden uns zukünftig begleiten und den Arbeitsalltag maßgeblich verändern“, erklärt Heymann.