„Hier kommt alles zusammen, was im schlimmsten Architekten-Alptraum nur vorstellbar ist“, beschreibt Baudezernent Frank Meyer die Ausgangslage.
Das völlig marode viergeschossige Gründerzeithaus mit ebenso marodem Hinterhaus hat beiderseits angebaute Nachbargebäude und steht direkt an der Straße. Innen ist das Treppenhaus eingestürzt; Decken und Wände sind nicht mehr tragfähig. Ein von der Stadt beauftragter Gutachter hat bescheinigt, dass das Haus Herbst und Winter mit Sturm, Regen und Schnee wahrscheinlich nicht mehr überstehen wird. Regelmäßig melden die Nachbarn lautes Rumpeln herabfallender Gebäudeteile im Inneren der Ruine.
Seit Frühjahr dürfen sie aus Sicherheitsgründen ihre Gärten nicht mehr nutzen. Zum Schutz der Fußgänger wurde zuerst der Gehweg vor dem Haus gesperrt. Nachdem ein Dachbalken von innen ein Fenster durchschlug und Scherben bis auf die Straße regneten, ließ die Verwaltung die komplette Front mit einem abgehängten Gerüst versehen. Mehrfach war auch die Feuerwehr bereits an dem Gebäude im Einsatz.
Weil Gefahr im Verzug ist und Eilbedürftigkeit gilt, läuft zurzeit eine verkürzte Ausschreibung des städtischen Gebäudemanagements (GMW) für die Abbrucharbeiten, die nach vorläufigem Zeitplan Ende September beginnen und bis zum Ende der dritten Novemberwoche abgeschlossen sein sollen.
„Wir sind zum Handeln gezwungen“, so Meyer. „Am Abbruch führt leider kein Weg vorbei.“ Und der wird richtig teuer: Vorher sind umfangreiche Sicherungsmaßnahmen des Gebäudes selber und der Nachbarhäuser durch Innengerüste und Stahlanker notwendig. Sonst würde alles unkontrolliert zusammenfallen. Dach und Giebel müssen aufwändig von Hand abggetragen, die Etagen Stockwerk für Stockwerk geräumt und abgebrochen werden, wobei die Wände zu den Nachbargebäuden erhalten bleiben müssen.
„Das ist statisch eine Filigranarbeit“, erklärt Frank Meyer. „Schweres Abbruchgerät kann erst in einer späteren Phase zum Einsatz kommen. Daher wird die gesamte Aktion auch mindestens sechs Wochen dauern.“ Wochen, in denen die insgesamt sechszehn direkten Nachbarn aus ihren Wohnungen evakuiert und, wenn sie nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen, von der Stadt untergebracht werden müssen.
Vollsperrung der Straße und sechsstellige Kosten
Auch die Anwohner im Umfeld und die Verkehrsteilnehmer werden massiv beeinträchtigt: Während des Handabbruchs von Dach und Giebel muss die Nützenberger Straße für mindestens eine Woche vor dem Haus komplett gesperrt werden. Lediglich Fußgänger können die Sperrung in einem Schutztunnel passieren. Der Verkehr wird über Briller Straße und Otto-Hausmann-Ring umgeleitet. Busse werden in dieser Zeit die Nützenberger Straße nicht anfahren können. Vier Schulen und vier Kindergärten gibt es im Umfeld.
Im Moment plant die Stadt die Vollsperrung nach bisherigem Zeitplan für die Zeit zwischen 26. Oktober und 10. November. In den Abbruchwochen davor und danach wird eine halbseitige Sperrung mit einer Baustellenampel geregelt. Die Daten sind noch immer vorläufig und können sich wieder ändern.
Auf den Kosten im sechsstelligen Bereich wird die Stadt, wie bei diversen anderen Schrott-Immobilien, wohl sitzen bleiben. Die ehemaligen Eigentümergesellschaften der Immobilie waren insolvent und existieren nicht mehr. Auf dem Grundstück liegen Schulden, die seinen Wert übersteigen. Eine Neubebauung wird schwierig.
Oberbürgermeister Peter Jung will das Thema „Schrott-Immobilien“ mit dem Ziel einer Förderung durch Bund und Land in den Städtetag einbringen: „Schrott-Immobilien sind ein zunehmendes Problem in den Kommunen, sowohl in Bezug auf die öffentliche Sicherheit als auch städtebaulich für ihr gesamtes Umfeld.
Wir wollen mit den Partnern der Wohnungswirtschaft strukturell an diesem Thema arbeiten, brauchen aber auch hier Unterstützung. Das Beispiel Nützenberger Straße zeigt, welche Größenordnung von finanziellen und personellen Ressourcen schon eine einzige derartige Immobilie binden kann. Aber wir haben viele davon, deren Zustand von Tag zu Tag schlechter wird.“