Was wünschen sich Stadtbesucher*innen von ihren Zentren? Erfüllt das vorhandene Angebot die Anforderungen? Diese Fragen lagen der bundesweiten Untersuchung „Vitale Innenstädte 2022“ zugrunde, die das Marktforschungsinstitut IFH Köln bereits zum fünften Mal durchgeführt hat. Insgesamt haben 111 deutsche Städte teilgenommen. Wuppertal war zum ersten Mal dabei. Die Datenerhebung basiert auf einer Passantenbefragung mit standardisiertem Fragebogen, die im Herbst 2022 in den Fußgängerzonen Elberfeld und Barmen durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 995 Interviews in Wuppertal geführt. Der Fokus der Fragen lag darauf, wie Stadtbesucher*innen den vorhandenen Nutzungsmix, das Einzelhandelsangebot und die Aufenthaltsqualität bewerten.
Ergebnisse
Die erhobenen Daten geben zum einen Aufschluss über die Situation vor Ort: die Besucherstruktur, das Einkaufsverhalten sowie Zufriedenheit und Wünsche der Passant*innen aus den Wuppertaler Innenstädten. Zum anderen bieten die Daten einen Vergleich mit anderen Städten. Der „Ortsgrößenvergleich“ zeigt, wie Wuppertal im Vergleich zu Städten mit ähnlicher Einwohnerzahl abschneidet. Wuppertal befindet sich in einer Gruppe mit 14 weiteren Städte, die zwischen 200.000-500.000 Einwohner*innen zählen. Dazu gehören u. a. Aachen, Bielefeld und Bonn.
Gesamteindruck
Die Befragten verliehen Wuppertal im Durchschnitt die Schulnote drei (befriedigend). In der Vergleichsgruppe waren die Bewertungen mit durchschnittlich 2,5 (gut) etwas besser.
Auch bei der Aufenthaltsqualität liegen die Bewertungen für Wuppertal im Mittelfeld. Abgefragte Faktoren waren zum Beispiel Gebäude und Fassaden, Sitz- und Verweilmöglichkeiten, Grünflächen, Sauberkeit, Sicherheit, Familienfreundlichkeit, Erlebniswert und Sehenswürdigkeiten. Die Einzelbewertungen dieser Faktoren liegen alle im mittleren Bereich. Das lokale Einzelhandelsangebot wurde im Hinblick auf Bekleidung, Schuhe, Uhren & Schmuck, Bücher, Kosmetik und Drogerieartikel und Lebensmitteln als gut bewertet. Ausbaufähig sahen die Befragten das Angebot für Unterhaltungselektronik, Wohnen und Dekoration, Büro- und Schreibwaren, Sportartikel, Hobby- und Bastelbedarf. Außerdem bewerteten die Passanten das Wuppertaler Gastronomie-, Dienstleistungs- und Veranstaltungsangebot positiv.
Das Freizeit- und Kulturangebot fanden viele hingegen noch steigerungsfähig. Bei der Frage nach der Erreichbarkeit wurde die ÖPNV-Anbindung gelobt. Bei der Autofreundlichkeit inklusive Parkmöglichkeiten gab es Abzüge. Als negativ wurde dagegen die Fahrradfreundlichkeit eingeschätzt.
Konsumentenverhalten
Das Durchschnittsalter der Befragten betrug 44 Jahre. Dies deckt sich mit dem Ergebnis aus Städten ähnlicher Größenordnung.
Der Großteil der Besucher wohnte selbst in Wuppertal. Nur rund 16 Prozent der Befragten stammten von außerhalb. In den Vergleichsstädten kam dagegen fast jeder Dritte aus einer anderen Stadt zum Einkaufen. Dabei zeigte sich, dass Wuppertal ein relativ kleines Einzugsgebiet hat, das sich vor allem auf die angrenzenden Städte Schwelm, Remscheid, Ennepetal, Gevelsberg Wülfrath und Wermelskirchen konzentriert.
Der Hauptgrund, warum die Befragten die Innenstadt aufsuchten, war zum Einkaufen (75%). Auch die Gastronomie war ein wichtiger Faktor (46%). Seltener genannt wurden hingegen zum Zeitvertreib/ Sightseeing (19%), um Dienstleistungsangebote wahrzunehmen (14%), Behördengänge oder Arztbesuche zu erledigen (13%) oder Freizeit- und Kulturangebote aufzusuchen (11%).
Die Befragten gaben an, in der Regel nur wenige Geschäfte zu besuchen. Über 43% der Befragten konzentrierten sich bei ihrem Besuch nur auf ein bis zwei Geschäfte. 38% planten drei bis fünf Läden zu besuchen. Entsprechend kurz war die Aufenthaltsdauer. Über 62% der Befragten wollten sich nicht länger als zwei Stunden in der Innenstadt aufhalten. Allerdings überrascht die Frequenz der Besuche. über 66% der Befragten bestätigten, die Innenstadt mehrmals wöchentlich oder sogar täglich aufzusuchen. Im Ortsgrößenvergleich fiel die Aufenthaltsdauer länger aus. Hier gaben nur 43% an maximal zwei Stunden in der City verweilen zu wollen. Der Rest plante einen längeren Aufenthalt.
Erreichbarkeit
Obwohl die Stadtbesucher in Wuppertal das Mobilitätsangebot des ÖPNV als gut bewerteten, fuhren sie seltener mit dem ÖPNV ins Zentrum als es in anderen Städten der Fall war. In Wuppertal gab etwa jeder Vierte an, mit Bus und Bahn gekommen zu sein. In den Vergleichsstädten war es jeder Dritte. In die Wuppertaler Zentren kamen dagegen mehr Menschen mit dem Auto. Auffällig war dagegen die hohe Zahl, die zu Fuß in die Innenstadt kam. In Wuppertal waren es über 25%, in den Vergleichsstädten dagegen nur 16%. Auf das Fahrrad wurde hingegen eher verzichtet. Nur 4,5 % gaben an, mit dem Rad in die Innenstadt zu gefahren zu sein. Im Ortsgrößenvergleich waren es hingegen 11,8%.
Entwicklung & Wünsche
Mit Blick auf die Entwicklung fanden rund 32% der Befragten, dass die Innenstadt sich in den letzten Jahren verbessert habe. 45% sahen keine Veränderung, 20 % sahen eine negative Entwicklung.Jedoch würden nur knapp über 5% die Innenstadt in Wuppertal weiterempfehlen. Der Durschnitt in den Vergleichsstädten liegt bei 31%.
Die Befragten in Wuppertal würden sich wünschen, dass das Angebot an Geschäften zum Shoppen und Bummeln ausgebaut wird. Als zweites wünschten sie sich mehr Orte, an denen sie Verweilen und Freunde treffen können. Auf Platz drei folgte der Wunsch nach weiteren Freizeitangeboten.
Den Ausbau des Dienstleistungsangebotes wie Friseurläden, Bankfilialen oder Kosmetikstudios sahen hingegen nur wenige als wünschenswert. Auch das Gesundheitsangebot bewerteten viele als ausreichend vorhanden.
Zusammenfassung
Insgesamt stuften die befragten Passantinnen und Passanten die Wuppertaler Innenstadt im Hinblick auf das Gesamtangebot und die Aufenthaltsqualität im mittleren Bereich ein. Im Vergleich mit Städten ähnlicher Größenordnung liegt Wuppertal jedoch oft unter den Durchschnittswerten. Hier gilt es, die Schwachstellen genauer zu betrachten, zu analysieren und gegenzusteuern. Die Studie „Vitale Innenstädte“ liefert hierfür wichtige Erkenntnisse. Schließlich stellt sie die wichtigste Zielgruppe in den Fokus - nämlich die Stadtbesucher*innen. So liegen fundierte Daten zugrunde, wie die Besucher*innen die Wuppertaler Zentren sehen und bewerten. Mit ihren Einschätzungen, Wünschen und Kritik liefern sie eine empirische Grundlage, an der sich weitere Planungs- und Gestaltungsschritte orientieren müssen. Erste Handlungsfelder, die sich aus der Befragung ableiten lassen, zielen auf die Gestaltung von Aufenthaltsorten, ein erweitertes Freizeit- und Shoppingangebot sowie den Ausbau des Radverkehrs in den Zentrenbereichen.
Reaktionen
Prof. Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister Stadt Wuppertal
"Die Studie belegt den aktuellen Strukturwandel der Innenstädte: Digitalisierung und verändertes Einkaufsverhalten führen zu einer Abkehr von der reinen ´Shopping´-Innenstadt. Die Innenstädte der Zukunft müssen multifunktional werden, im Sinne einer ´15 Minuten-Stadt´, in der die Menschen zu Fuß oder mit dem Fahrrad in maximal 15 Minuten alles erreichen: Arbeitsplätze, Geschäfte, Gastronomie, Schulen, Bibliotheken, Verwaltungshäuser, Ärzte, Kinderbetreuung, schöne Plätze und Parks. Mit der Realisierung unserer integrierten Innenstadtkonzepte und den starken Partnern vor Ort ist Wuppertal da engagiert auf dem Weg."
Dr. Marco Trienes, Wirtschaftsförderung Wuppertal
„Wir benötigen eine ganzheitliche Entwicklung der Zentrenbereiche. Dabei müssen alle relevanten Handlungsfelder wie Infrastruktur, Städtebau, Mobilität, Marketing, Events, Angebots- und Leerstandsmanagement, Digitalisierung sowie Sicherheit und Ordnung integriert betrachtet werden. Eine langfristig angelegte Vision ist ein wichtiger Kompass. Diese muss aber mit kurzfristigen Maßnahmen zur Umsetzung von ´Quick Wins´ Hand in Hand gehen. Als koordinativer Knoten ist dafür ein City- und Baustellenmanagement essentiell. Innenstadtentwicklung ist Teamarbeit, bei der öffentliche und private Akteure zusammen handeln. In der ´Engagement-Stadt´ Wuppertal haben wir dafür sehr gute Vorraussetzungen.“
Dr. Daria Stottrop, Bergische IHK
„Die Studie hat uns sowohl erwartbare als auch einige überraschende Ergebnisse aus Besuchersicht geliefert. Es gibt viel zu tun, um die Innenstadt den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen anzupassen. Wir müssen nun die Themen angehen, die fehlen. Vor allem das nicht-kommerzielle Angebot ist ausbaufähig. Aber auch bei unterdurchschnittlich repräsentierten Einzelhandelssegmenten und bei Mobilitätsfragen müssen wir ansetzen.“
Thomas Helbig, ISG Barmen-Werth
„Früher war die Innenstadt quasi ein Selbstläufer, heute muss man sich verstärkt um sie kümmern. Mit der ISG arbeiten wir bereits seit Jahren daran, die Verweildauer durch eine attraktivere Gestaltung und Veranstaltungsformate zu erhöhen. Derzeit schaffen wir mit dem Schwebodrom ein neues Angebot im Kultur- und Freizeitbereich. Dadurch erhoffen wir uns auch auf überregionaler Ebene eine verstärkte Anziehungskraft, denn das Wuppertaler Einzugsgebiet ist für eine Großstadt eher schwach. Wir müssen weiterarbeiten und uns in zwei Jahren ansehen, ob positive Veränderungen sichtbar werden.“