Grete Stern 09.05.1904-24.12.1999
Ihre erste Ausstellung hatte die 1904 - in der früheren Textilstadt Elberfeld geborene Grete Stern - 1926 in der Ruhmeshalle im benachbarten Barmen.
Nach einer Ausbildung an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule, war die Tochter einer deutsch-jüdischen Familie noch einmal kurzzeitig in ihre Heimatstadt an der Wupper zurückgekehrt.
Hier übte sie, was damals ungewöhnlich war, den Beruf einer Grafikerin aus.
Drei Jahre ihrer Kindheit hatte die „höhere Tochter“ in einem englischen Pensionat verbracht.
Um sich weiter entwickeln zu können, wechselte die junge Künstlerin in die pulsierende Reichshauptstadt Berlin. Dass sie als Privatschülerin von ihrem Bauhaus-Lehrer Walter Peterhans eine Fotoausrüstung samt Dunkelkammer überlassen bekam, brachte sie auf die Idee sich der Kunstfotografie zu widmen.
Zusammen mit seiner zweiten Privatschülerin Ellen Auerbach, eröffnete sie das Fotostudio für Portrait – und Werbefotografie „Ringel und Pit“.
Ihr Kindername war „Ringel“ und der von Ellen Auerbach „Pit“.
Die während der Zeit einer fruchtbaren Arbeits- und Wohngemeinschaft, im Auftrag von Werbefirmen entstandenen Fotomontagen, hatten Charme und Witz.
So kamen Arm und Hand einer lebendigen Person, um ein Haarwaschmittel zu präsentieren, hinter dem Rücken einer künstlichen Frauenfigur hervor.
Angelockt vom Konzept einer engen Verbindung von Gebrauchsgegenständen und Kunst, studierte Grete Stern 1930 ein Jahr am Bauhaus in Dessau und noch einmal 1932-33 am Bauhaus in Berlin.
Mit Beginn des Nationalsozialismus im Jahre 1933 sahen sich die Freundinnen aus jüdischen Familien gezwungen zu emigrieren.
Für Grete Stern wurde die Liebesbeziehung zu einem ehemaligen Mitstudenten aus Argentinien zum Segen für ihr weiteres Leben.
Nach einer letzten Begegnung mit Ellen Auerbach in ihrem Londoner Domizil wanderte das Paar nach Argentinien aus.
1936 eröffnete Grete Stern mit ihrem Ehemann in der Hauptstadt Buenos Aires ein Studio für Reklame und Fotografie. Das zeitgleich erworbene Haus wurde zum Treffpunkt für progressive Schriftsteller/innen, Künstler/innen und Intellektuelle.
In der neuen Heimat setzte sich die Erfolgsgeschichte der einzigartigen Fotokünstlerin fort.
1957 erhielt sie vom Nationalmuseum für Bildende Künste in Buenos Aires den Auftrag, zusammen mit Ethnologen, die Lebensbedingungen der bisher unbeachteten indianischen Bevölkerung in den nördlichen Provinzen zu dokumentieren.
Den damit verbundenen Problematiken widmete sie sich auch im Rahmen ihres 1959 erhaltenen Lehrauftrags an der Universität in Resistencia del Chao.
Ihre Ausbildung am Bauhaus hat Grete Stern zeitlebens zu nutzen gewusst.
Punkt, Gerade, Fläche, die dort eine Rolle gespielt hatten, fand sie in vielen Bauwerken der argentinischen Hauptstadt wieder.
Durch die Umsetzung in abstrakte Kunstwerke entwickelte sich allmählich eine ganz neue Kunstrichtung, jenseits der in dem südamerikanischen Land bisher dominierenden sakralen und folkloristischen Auftragskunst.
Bedeutsam waren auch die Fotomontagen zu Träumen, die über vier Jahre von Leserinnen an die Redaktion der argentinischen Frauenzeitschrift „Idilio“ gesandt wurden.
Sie zeigten deren Willen, gesellschaftliche Klischees nicht mehr zu bedienen.
Progressive Journalistinnen lieferten hierzu die ironisch-kritischen Kommentare.
Durch passende Illustrationen wie Dame im Vogelkäfig oder als Lampenknopf, gedrückt von einem Mann, fand die während der Bauhaus-Zeit von Grete Stern erworbene Collage-Technik in Südamerika Anwendung.
Für Gebrauchsgrafiken fand sich damals noch kein Archiv.
Wenige erhaltene Montage-Fotografien wurden 1998 im Aachener Soermondt Ludwig-Museum gezeigt.
Wegen fortschreitender Erblindung stellte Grete Stern fünf Jahre vor ihrem Tod ihr kreatives Schaffen ein.
Bereits 1988 hatte die Stadt Wuppertal die „bedeutende Tochter der Stadt“ mit einer Ausstellung in der Wuppertaler Zentralbibliothek geehrt.
Elke Brychta und Anna-Maria Reinhold
Literaturhinweis: Emigriert - Grete Stern und Ellen Auerbach. Fotografien vor und nach 1933, hrsg. von der Stadt Wuppertal, mit Unterstützung der Freunde der Stadtbibliothek und der Gothaer Versicherung aus Anlass der Ausstellung in der Zentralbibliothek (25. Oktober - 29. November 1988).
Abbildungsnachweis Ulrike Müller: Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design. Unter Mitarbeit von Ingrid Radewaldt und Sandra Kemper, München 2009.
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