Beschreibung
Die Bedeutung des Standortes Münzstraße 47 bis 53 ist vor dem Hintergrund des besonders hohen Standes genossenschaftlichen Wirtschaftens im Bereich der späteren Stadt Wuppertal als Zentrumsort des Bergischen Landes zu würdigen.
An der Münzstraße war 6 Jahre nach der Gründung (1899) von der Genossenschaft "Vorwärts" eine Verwaltungszentrale errichtet worden (Münzstraße 51-53), die eine Bäckerei und Fleischerei umfasste. 1914 - 1916 gruppierte man um einen Hof westlich der Münzstraße weitere Funktionsgebäude, wie Großbäckerei mit nördlich gelegenem "Heizerstand", Lagerhaus, Wagenhalle, Brotverladeraum, Konditorei, Pferdestall u.a.
Durch mündliche Überlieferung ist wahrscheinlich gemacht, dass nach 1933 SA und Gestapoformationen den Baubestand zu Kasernierungszwecken nutzten; auch gibt es Hinweise auf Gefängnisnutzungen durch die Gestapo (im Falle der Schwesteranlage in Velbert wurde der Baubestand als Zwangsarbeiterlager genutzt).
Der produktive Zweck der Anlage lag vor allem in der genossenschaftlich organisierten Broterzeugung. Bis 1930 gab es offensichtlich eine Art Aufgabenteilung: Barmen -Brotherstellung, Elberfeld - Fleischherstellung. In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wurde das Areal hauptsächlich zu Zwecken des Lebensmittelhandels genutzt, heute ist die Stadt Wuppertal mit unterschiedlichsten Nutzungen Eigentümer.
Kontor - und Verwaltungsgebäude
Der zur Münzstraße hin augenfälligste Bau der Gesamtanlage ist das wohl zwischen 1905 und 1909 (Portalaufschrift "1908") in Massivbauweise errichtete, 3 ½ -geschossige Verwaltungs- und Kontorgebäude mit geschleppten Gauben im Mansarddach.
Seine überwiegend vertikal gegliederte, weitgehend symmetrische Fassade aus Putz- und Natursteinelementen unterteilt sich in 3 Abschnitte. Ein mittlerer Segmentbogengiebel betont die mittleren Achsen in der Art eines Mittelrisalits (hier fassadenbündig), dem sich die dreiachsigen Flügelbauten angliedern (4 Fensterachsen bei Dreiteilung durch die Pilaster).
Großbäckerei
Südwestlich des Kontorbaus erhebt sich der langrechteckige Putzbau der Großbäckerei. Unter einem kräftigen Kranzgesims mit Zahnschnittfries über dem dritten Obergeschoss erhebt sich ein weniger hohes Dachgeschoss.
Bäckerei- und Lagergebäude
Nordöstlich dem Bäckereibau hälftig vorgelagert, erstreckt sich das mit diesem gleich hohe Bäckerei- und Lagergebäude. Der - heute teilweise weiß gestrichene - ursprüngliche Backsteinbau hat, wohl nach Kriegsbeschädigung, sein reich gegliedertes Mansarddach samt Dachhäusern verloren und ein verputztes, spärlich durchfenstertes Obergeschoss in der Breite von 6 Fensterachsen aufgesetzt bekommen. Eine Luftbrücke in Stahlkonstruktionsweise bindet das Lagerhaus an die Rückseite des Kontor- und Verwaltungsgebäudes an.
Wagenhalle und Brotverladeraum
Südlich wird der Hof der Anlage von den parallel geführten, eingeschossigen Trakten der Wagenhalle und des Brotverladeraumes begrenzt. Im Straßenbild als Backsteinbauten von 4 bzw. 5 Achsen Breite wahrnehmbar, belichtet von Segmentbogenfenstern unter einem kräftigen, mehrteiligen Hauptgesims, erstrecken sich die Bauten nach Westen. Der Wagenhalle ist westlich bis zur Begrenzungslinie der Bäckerei ein Schuppen angefügt.
Bahnzufahrtstunnel
Vom tiefer gelegenen Areal des Bahnhofes Heubruch her führt unter der Münzstraße eine tunnelartige Zuwegung für Bahnbetrieb unter den Nordteil der Gesamtanlage, die, dem Gelände folgend, mehrgeschossig unterkellert ist. Sorgfältig gesetztes Sandstein-Quadermauerwerk bildet die Tunnelwände. In den verschiedenen Kellerarealen sind ehemalige Kühlraumzonen noch erkennbar.
Das Gesamtkomplex der ehemaligen Genossenschaft "Vorwärts" an der Münzstraße ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen sowie für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Für die Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor:
a) Geschichte des Menschen:
Der Gesamtbauwerk markiert einen für Wuppertal besonders prägnanten Abschnitt in der Entwicklung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte und etabliert somit ein anschauliches Zeugnis für die wirtschaftlichen Emanzipationsbestrebungen der Arbeiterschaft der Hochindustrialisierung als Antwort auf die wirtschaftlichen Umwälzungen des Industriezeitalters.
b) Städte und Siedlungen:
Spezifisch im Raum des Bergischen Landes entwickelte sich eine vielfältig tätige Genossenschaftsbewegung, deren operatives Zentrum Wuppertal wurde, was die nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten Zusammenschlüsse und der daraus resultierende Bau einer der größten deutschen Genossenschaftszentralen in Barmen noch unterstreichen. Die Anlage auf der Münzstraße ist (wie z. B. auch die Velberter Bauten der "Haushalt") ein bedeutender Markstein bei der Herausbildung immer beträchtlicherer Größenordnungen der Lager-, Verkaufs- und Produktionskomplexe in genossenschaftlicher Regie.
c) Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse:
Mit der ablesbaren Funktionszuweisung der einzelnen Anlageteile (Produktion, Lagerung, Transport, Verwaltung, Wohnen) ergibt sich ein gutes Bild des Standes der Technik der Erbauungszeit. Dies gilt insbesondere für die Brotfabrik, wo die betrieblich- technischen Einrichtungen Teile des Denkmales sind.
d) Künstlerische Bedeutung:
Die Ausbildung repräsentativer Architekturformen (Bäckereigebäude, Kontorgebäude) verweist auf die gestiegene Bedeutung genossenschaftlichen Wirtschaftens vor dem Hintergrund der gewachsenen ökonomischen Potenz der Genossenschaften.
e) Wissenschaftliche Bedeutung
Die Gesamtanlage ist ein Quellenbeleg für die Wirtschaft- und Sozialgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts, das die im 19. Jahrhundert sich entwickelnden sozialen Fragen mit unterschiedlichen Lösungen zu beantworten suchte. Ein spezifischer Beitrag hierzu ist die Genossenschaftsverfassung bei der Versorgung mit Gütern und Wohnraum, wie er für die Epoche von etwa 1880 bis 1933 typisch ist. Mit der Erhaltung der Anlage Konsumstraße und Münzstraße vereinigt die Stadt Wuppertal zwei bedeutende Entwicklungsstufen innerhalb dieser Epoche.
f) Städtebauliche Bedeutung
Im Rahmen des Wachstums von Barmen bildet die genannte Anlage einen städtebaulichen Schwerpunkt bei der Bebauung des Sedansberges um etwa 1872.
Signifikant ist die Verknüpfung der topographischen Möglichkeiten mit den betrieblichen und verkehrlichen Zwecken der Unternehmung (Nutzung der Hanglage und des in unmittelbarer Nähe liegenden Areals der Rheinischen Eisenbahnen).
In den Zusammenhang der städtebaulichen Bedeutung fiele auch die Tatsache, dass dem Produktions-, Lager- und Verwaltungskomplex der Genossenschaft "Vorwärts - Befreiung" noch eine ganze Rolle zugehöriger Wohnbauten beigefügt ist. Es handelt sich um die sieben Wohnhäuser Elsternstraße 8 - 20. Funktional verzahnt mit dem Genossenschaftskomplex waren sie insofern, als ihre Kellergeschosse, vom Werkshof erreichbar, Lagerzwecken dienten. Aufgrund ihres heutigen, stark veränderten Zustandes können sie jedoch nicht mehr den ursprünglichen Zusammenhang genossenschaftlich organisierten Arbeitens und Wohnens verdeutlichen. Sie bleiben daher trotz der räumlichen Verzahnung für den Denkmalwert des Genossenschaftskomplexes unerheblich.
Bei den beschriebenen Gebäuden und Anlagen (samt Luftbrücke zum Kontorgebäude) sowie der ehemaligen Bahnzufahrt mit Kellergeschossen handelt es sich um ein Denkmal im Sinne des § 2, Abs. 1 Denkmalschutzgesetz NRW.
Die Unterschutzstellung erstreckt sich auf den gesamten beschriebenen Komplex.
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